Ernst Leitz III
Am 16. Januar 1906 kam Ernst Leitz III in Wetzlar zur Welt. Nach einer Feinmechanikerlehre und vier Semestern Physikstudium wurde er im Alter von 24 Jahren Geschäftsführer der neu gegründeten Ernst Leitz GmbH. Er bekleidete dieses Amt 44 Jahre lang. Nachdem sich sein Vater Anfang der 1950er Jahre aus der Geschäftsführung zurückgezogen hatte, wurde er Seniorchef und trug neben Henri Dumur und seinen Brüdern Ludwig sowie später Günther Leitz die Verantwortung für das Unternehmen.
Die Ernst Leitz GmbH verdankt ihm entscheidende Schritte zur Entwicklung neuer Verfahren in der feinmechanischen und optischen Fertigung. Auch war er für den Aufbau des neuen Geschäftsbereichs der optischen Feinmessgeräte verantwortlich. Er engagierte sich zusammen mit seinem Bruder Günther für die Errichtung des Zweigwerks in Midland (Kanada). Zwei Jahrzehnte später gab er den Startschuss zur Errichtung eines weiteren Betriebs in Vila Nova de Famalicão (Portugal).
Die technischen Veränderungen in Entwicklung und Fertigung waren in den 1960er und 1970er Jahren erheblich. Aus der Verbindung feinmechanischer und optischer Komponenten mit Elektronik und Software entstanden immer komplexere Systeme. Die Bewältigung des schnellen Strukturwandels verlangte auf allen Ebenen ein besonders hohes Maß an Qualifikation und Flexibilität.
Der Beginn bestimmter Fertigungen in Niedriglohnländern in den 1970er Jahren bedeutete den Abbau von Arbeitsplätzen am hiesigen Standort. Er war aber angesichts der immer stärker werdenden japanischen Konkurrenz unvermeidlich, um Spiegelreflexkameras, Labor- und Studentenmikroskope sowie Kompaktferngläser weiter wettbewerbsfähig anbieten zu können.
Ernst Leitz III hat in seinem langen Berufsleben bei allen Initiativen, die er ergriff, stets Augenmaß bewiesen. Er war ein bescheidener und in seiner persönlichen Lebensführung anspruchsloser Mensch. Kurz nach 7 Uhr saß er regelmäßig hinter seinem Schreibtisch im Verwaltungsgebäude. In den Nachmittagsstunden ging er in die Werkstätten und erkundigte sich außer nach Fertigungsproblemen auch nach dem Wohlergehen seiner Mitarbeiter. Nach Dienstschluss sah man ihn in den Sommermonaten auf der Lahn rudern. An den Wochenenden wanderte er viele Stunden durch die heimischen Wälder. Die Freude am Improvisieren auf dem Klavier hat er sich sein Leben lang bewahrt.
Das Gleiche galt für seine Liebe zur Physik und Mathematik. Manche Stunde verbrachte er in seiner Freizeit mit Berechnungen und physikalischen Experimenten. Als Ernst Leitz III 50 Jahre nach seinem Eintritt in die väterliche Firma aus der Geschäftsführung ausschied, blieb er dem Unternehmen als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von 1974 bis 1978 verbunden. Er starb in den frühen Morgenstunden des 8. September 1979 in Bad Nauheim.
Ab 1974 vertrat Knut Kühn-Leitz allein die Familiengesellschafter in der Geschäftsführung. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit internationaler Ausrichtung in München und Fontainebleau trat er 1965 als Direktionsassistent in die Ernst Leitz GmbH ein. Er wurde 1966 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Philipps-Universität, Marburg mit einer Dissertation über „Absatzwirtschaftliche Gegenwartsprobleme der westdeutschen fototechnischen Industrie“ zum Doktor rer. pol. promoviert. 1971 wurde er zum Geschäftsführer bestellt.
Im selben Jahr kam durch seine Initiative eine technische Kooperation mit der Minolta Camera Company, Osaka (Japan), zustande. Durch diese Verbindung auf dem Kamerasektor und mit der Fertigungsaufnahme im Niedriglohnland Portugal war der Fortbestand des Geschäftsbereichs Foto über ein Vierteljahrhundert gesichert. 1972 bahnte Knut Kühn-Leitz die Zusammenarbeit in Entwicklung, Fertigung und Vertrieb von Mikro-skopen mit der Wild Heerbrugg AG, Schweiz, an, die mit einer Beteiligung von 25 Prozent am Stammkapital von Leitz verbunden war. In seinen Verantwortungsbereich fiel von nun an die strategische und operative Unternehmensplanung.
Nach den Verlustjahren der 1970er Jahre wurde aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs Anfang der 1980er Jahre ein neues Versandzentrum gebaut und es erfolgte die Übernahme der Firma Will, Nauborn. Beide Investitionen in zweistelligen Millionenbeträgen beanspruchten erhebliche finanzielle Mittel. Gleichzeitig zeichneten sich größere Investitionen in Forschung und Entwicklung ab. Gesellschafter und Betriebsrat hielten daher eine Kapitalerhöhung für unumgänglich.
Die Bedingung des Mehrheitsgesellschafters war eine entsprechende Beteiligung der Gesellschaftergruppe Leitz. Die erforderlichen Mittel in Millionenhöhe besaß die Familie nicht, da ihr Vermögen weitgehend in Anteilen an der Ernst Leitz GmbH gebunden war. Die Familie Leitz wollte der Weiterentwicklung des Unternehmens nicht im Wege stehen und entschied sich, ihre Anteile an den Schweizer Mehrheitsgesellschafter zu verkaufen. Dies war ein schwerer Entschluss für die Familie, nachdem vier Generationen Leitz das Werk aufgebaut hatten.
Die Nachfolgeunternehmen der Ernst Leitz GmbH sind zwei voneinander unabhängige Gesellschaften mit Sitz in Wetzlar: Die Leica Microsystems GmbH und die Leica Camera AG.